Freitag, 22. Juli 2011

Mumbai- Die Dabbawalas


Mumbai und ein Tag im Leben eines Dabbawalas. Ohne Fahrrad geht im Leben eines indischen Dabbawala  gar nichts. Die Dabbawalas widmen sich seit mehr als 125 Jahren der Aufgabe, Essen pünktlich zu verteilen. Heute werden vorallem in den grossen Firmen Mumbais Lunchboxen zugestellt. In Mumbai sind es inzwischen 200`000 Mahlzeiten, die Tag für Tag pünktlich zur Mittagszeit abgeliefert werden. 



Auf Hindi heisst Mittagessen "Dabba", und "Wala" bedeutet Träger. Die Dabbawalas sehen in ihrer Arbeit jedoch mehr als "nur" einen Job. "Jemandem zu Essen geben, heisst Gott zu dienen", erklärt Manish Triparthi, Informatikdirektor des Dabbawala Charitable Trust.

In Mumbai, der Wirtschaftshauptstadt Indiens, arbeiten mehr als 6,1 Millionen Pendler, 49 Prozent des indischen Bruttoinlandprodukts wird dort erwirtschaftet. Zur Rush-Hour sind die Zü­ge berstend voll, viele pendeln täglich drei Stunden und mehr! Um überhaupt in einen Wagen hineinzukommen, muss man beide Hände frei haben. 
80-100 Kg trägt ein Dabbawala

Eine "Tiffin Box" (eine Art Lunchbox mit in der Regel leichtem Essen) mitzunehmen, sei ein Ding der Unmöglichkeit, erklärt Manish Triparthi. Viele der Pendler nehmen deshalb die Dienste der Dabbawalas in Anspruch, die das Essen allmorgendlich im Haus der Pendler abholen und es in der Mittagspause ins Büro bringen. In Mumbai ist das echt keine leichte Aufgabe, bei so vielen Menschen.

Manish Triparthi erklärt, wie der Transport der Mittagsverpflegung funktioniert: Die meisten Transporte in Mumbai werden von Privatunternehmen getätigt, die Dabbawalas hingegen benutzen den "suburban railway service", das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel der Stadt mit einem Streckennetz von mehr als 300 Kilometern und 2000 Fahrten pro Tag.



Die Eisenbahn sei sicherer und billiger und gewähre den Dabbawalas zusätzlich einen Rabatt. Am Bestimmungsort wird das Essen dann zu Fuss oder per Fahrrad ausgetragen. Das ist ökologisch die bestmögliche Lösung.

Täglich verteilen die 5000 Dabbawalas von Mumbai mit höchster Pünktlichkeit zwischen 175`000 und 200`000 Mahlzeiten - eine logistische Meisterleistung! Damit dies möglich ist, veranstalten sie täglich einen bis ins Detail ausgetüftelten Wettlauf gegen die Uhr: "Die Frauen zittern vor den Dabbawalas mehr als vor ihren Männern", schmunzelt Manish Triparthi. "Wehe, wenn sie am Morgen an die Türe klopfen, und das Dabba, das Mittagessen, ist nicht fertig."  Er lacht und erklärt uns dann ganz ernst, wie die Sache funktioniert: Die Frauen bereiten in aller Frühe die Mittagsmahlzeit vor. Ab 9 Uhr werden die vollen "Tiffin Boxes" abgeholt und zu Fuss oder per Fahrrad zum nächsten Bahnhof gebracht.

Die Regeln sind knallhart. Lässt eine Kundin ihren Dabbawala dreimal hintereinander warten, wird sie von der Kundenliste gestrichen! Von 10.40 Uhr bis 11.20 Uhr werden die Behälter verladen: Auf Holzbrettern werden sie im Güterwagen aufeinandergestapelt, jedes Brett trägt 75 bis 100 Kilo. An den Endstationen – hauptsächlich in Churchgate oder Victoria – wird ausgeladen. Die Dabbawalas tragen einen Teil zu Fuss aus, ein Grossteil wird wieder auf Velos oder Handwagen in die Bürohochhäuser von Mumbai gebracht.

Auch hier wieder ein weltweiter Rekord: Gerade mal eine von 16 Millionen "Tiffin Boxes" geht im Schnitt verloren!

Erst wenn alle Mittagessen verteilt sind, gönnen sich die Dabbawalas eine Pause und lassen sich ihr eigenes Mittagessen schmecken. Direkt in den Bahnhöfen haben sie ihre Tempel. Hier beten sie um Ruhe und Gelassenheit, die sie in dieser hektischen, überfüllten Stadt und bei ihrem täglichen Stress brauchen.

Fertig ist die Arbeit aber erst, wenn jede "Tiffin Box" wieder da ist, wo sie am Mor­gen abgeholt wurde. Zwischen 13.15 Uhr und 14 Uhr sammeln die Dabbawalas die leeren Behälter in den Firmen wieder ein. Zwischen 14 Uhr und 14.30 Uhr stehen sie alle wieder am Bahnhof. Um 14.48 Uhr fahren die Züge an den Ausgangspunkt zurück, wo die "Tiffin Bo­xes" ausgeladen, verteilt und an die richtige Haustüre zurückgebracht werden.




Mumbai's Dabbawalas from Rajiv Rao on Vimeo.


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